Elif Shafaks Bücher stehen schon lange auf meiner Wunschliste und endlich habe ich es geschafft, eines davon zu lesen. Der Geruch des Paradieses war für mich das erste Buch der türkischen Autorin und ich kann euch schon verraten, es war bestimmt nicht das letzte.

Inhalt

Peri und ihre beiden besten Freundinnen Shirin und Mona könnten unterschiedlicher nicht sein. Als sie sich während ihres Studiums in Oxford in das umstrittene Seminar eines charismatischen Professors einschreiben, wird ihr Schicksal jedoch auf dramatische Weise zusammengeschweißt. (© Kein & Aber)

Zunächst kurz eine Anmerkung zu diesem Klappentext: Das hier Beschriebene geschieht tatsächlich eher erst zum Ende hin und so dramatisch, wie der letzte Satz klingt, wird die Geschichte nicht. Zumindest der Erzählstil ist weit von Drama entfernt, wenn die Geschichte auch irgendwie dramatisch endet oder – genau genommen – offen bleibt. Allerdings ganz anders, als man es erwarten würde.

Glaube, Zweifel, Identität

Das sind die Schlagwörter, mit denen ich Der Geruch des Paradieses beschreiben würde. Die Protagonistin Peri wächst in Istanbul auf. Ihre Eltern kommen nicht wirklich gut miteinander aus. Peris Mutter ist zutiefst gläubig, ihr Vater allerdings nicht und das führt zu vielen Streitigkeiten in der Ehe. Peris Mutter findet in ihrer Religion Zuflucht, Peris Vater greift zum Alkohol und Peri selbst steht immer zwischen den beiden.

Mit ihrem Vater versteht sich Peri besser und er ist es auch, der ihr den Wert von Bildung vermittelt. Von ihm wird ihr Denken eher westlich geprägt, während ihre Mutter ihr den streng traditionellen Islam vorlebt. Diese beiden – teilweise sehr gegensätzlichen – Weltanschauungen verunsichern Peri und führen dazu, dass sie ihren Glauben und ihre Identität stets in Frage stellt. Zweifel und Ungewissheit bestimmen ihr Denken. Um Antworten zu finden und Gewissheiten zu erlangen, tut sie schließlich genau das, was ihr Vater ihr von klein auf rät: Sie setzt auf Bildung. Und geht schließlich zum Studieren nach Oxford.

Dort findet sie sich jedoch schnell in genau dem gleichen Zwiespalt wieder, dem sie eigentlich entkommen wollte. Zwei Kommilitoninnen, die zu Peris besten Freundinnen werden, verkörpern – ähnlich wie zuvor Peris Eltern – „die Sünderin“ und „die Gläubige“. Peri wird als „die Verwirrte“ bezeichnet, denn sie ist hin- und hergerissen zwischen traditionellen Werten und modernen Ansichten. Obwohl die Ausgangslage konstruiert wirkt, gehen daraus spannende Konflikte, interessante Beobachtungen und nachdenklich machende Diskussionen hervor.

Aufbau und Stil

Die Geschichte beginnt in der Gegenwart: Peri lebt mit ihrem Ehemann und den gemeinsamen Kindern in Istanbul und ist auf dem Weg zu einer Abendgesellschaft. Während des gesamten Abends wird rückblickend aus Peris Kindheit, Jugend und ihrer Studienzeit erzählt. Letztere nimmt dabei den größten Teil der Erzählung ein. Dadurch werden Gegenwart und Vergangenheit miteinander verknüpft. Außerdem zeichnet die Autorin so ein umfangreiches Bild der türkischen Gesellschaft.

Elif Shafak erzählt Peris Geschichte in einem ruhigen, nahezu bedächtigen Ton, der zum Charakter der Protagonistin passt. Peri ist selbst ruhig, in sich gekehrt und nachdenklich. Genauso werden auch viele Themen im Roman behandelt. Ob es um Gott, den Glauben oder die eigene Identität geht – alles wird aus einem philosophischen Blickwinkel betrachtet.

Der Geruch des Paradieses

Elif Shafak hat mich mit ihrem Roman Der Geruch des Paradieses nachhaltig begeistert. Der philosophische und teils poetische Stil haben mir gut gefallen und auch die Geschichte, die zwar ein wenig konstruiert erscheint, hat mich gefesselt und nachdenklich gestimmt. Es geht um eher persönliche Themen wie Glaube, Zweifel und Identität, aber auch um gesellschaftliche Themen wie Religion, Kultur und Politik. Werte – sowohl moderne als auch traditionelle – spielen dabei ebenfalls eine große Rolle. Der Geruch des Paradieses ist ein interessanter, lehrreicher und unterhaltsamer Roman, der viele Fragen aufwirft, jedoch keine abschließenden Antworten bietet.

Der Geruch des Paradieses_Elif Shafak

Titel: Der Geruch des Paradieses

Autorin: Elif Shafak
Verlag: Kein & Aber
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Belletristik

Seiten: 551 Seiten
Format: Taschenbuch
Übersetzung: Michaela Grabinger
Originaltitel: Havva’nın Üç Kızı