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Menschen träumen vom Fliegen, wovon träumt ein Mauersegler? Vielleicht vom Fallen, so wie wir an der Grenze zwischen Wachsein und Schlaf. Im freien Fall befindet sich auch Prometheus, als sein bester Freund Jakob stirbt. Nach einer überstürzten Flucht vor Polizei, Familie und sich selbst schlägt er am dänischen Strand auf. Der Mauersegler erzählt von einem Mann, der unter seiner Schuld zu zerbrechen droht. Und von zwei Frauen, die wenig Fragen stellen – wie alle Menschen, die ihre eigenen Geheimnisse haben. (© Eichborn)

Stimmungsvoll und eindringlich

Das Debüt Marianengraben von Jasmin Schreiber war im vergangenen Jahr eines meiner Lesehighlights. Daher habe ich mich auf ihren zweiten Roman gefreut. Außerdem war ich gespannt, da Der Mauersegler wie schon das Debüt die Themen Verlust und Trauer behandelt. Obwohl die Ausgangslage in beiden Romanen eine ähnliche ist, unterscheiden sie sich doch auch grundlegend. Im Gegensatz zu Marienengraben erzählt Der Mauersegler die Geschichte einer tiefen Freundschaft und der Suche nach Vergebung.

Ohne Erklärungen landet man direkt mitten in der Geschichte und lernt den sichtlich orientierungslosen Protagonisten Prometheus, der mit erstem Namen eigentlich Marvin heißt, kennen. Genauso orientierungslos wie dieser ist man selbst zunächst. Die Ereignisse, die zu Prometheus Flucht geführt haben, werden nämlich erst nach und nach in Rückblicken offenbart. Die gehetzte, getriebene Stimmung des Protagonisten überträgt sich dadurch auch auf den Leser. Auf diesen ersten Seiten wird Schreibers Erzähltalent schon deutlich. Sie fängt die Stimmungen der Figuren ein und macht sie für die Leser*innen erlebbar. Dazu tragen insbesondere auch ihre wunderschönen Beschreibungen der Flora und Fauna bei. Sie verwendet erfrischend passende Vergleiche und Metaphern, die ich so noch nie gelesen habe.

Die Figuren in Schreibers Romanen wirken mit ihren jeweiligen Eigenheiten authentisch, wenn auch nicht immer sympathisch. So ist Prometheus insbesondere zu Beginn definitiv kein Sympathieträger, doch werden seine Gefühle und die daraus resultierenden Handlungen mit der Zeit nachvollziehbar. Der Mauersegler ist trotz der tragischen Ereignisse und der Verarbeitung eines schweren Verlusts keine ausschließlich traurige Lektüre. Er enthält immer wieder auch tragikomische Szenen und am Ende eben auch Hoffnung.

Der Mauersegler

Mit Der Mauersegler stellt Jasmin Schreiber ein weiteres Mal ihr erzählerisches Können unter Beweis. Eindrücklich beschreibt sie Prometheus Weg durch Verlust, Trauer und Wut hin zu einem hoffnungsvollen Ende. Wem Marianengraben gefallen hat, der wird höchstwahrscheinlich auch Schreibers neuen Roman mögen.

Der Mauersegler von Jasmin Schreiber

Titel: Der Mauersegler

Autorin: Jasmin Schreiber
Verlag: Eichborn
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Belletristik, Gegenwartsliteratur

Seiten: 240 Seiten
Format: Hardcover