Ich weiß nicht mehr, wann und wo ich über Abwesenheitsnotiz von Lisa Owens gestolpert bin, aber die Geschichte klang interessant, so dass ich das Buch auf meine Wunschliste gesetzt habe. Als ich es vor einer Weile als Mängelexemplar in der Buchhandlung sah, habe ich es daher direkt mitgenommen und auch kurz danach schon gelesen.

Inhalt

Wenn Claire Flannery eines weiß, dann, dass sie für ihr Glück alleine verantwortlich ist. Claire ist Ende zwanzig, lebt in London und hat einen Freund, der ziemlich viel arbeitet. Sie hingegen hat ihren Job gerade gekündigt. Weil der nicht so richtig zu ihr gepasst hat. Jetzt kann sie sich endlich auf die Suche machen: nach dem Beruf, der auch Berufung ist.

Doch dafür muss sie sich den ganz großen Fragen stellen. Wie möchte sie ihr Leben verbringen? Was würde sie glücklich machen? Ihre Großmutter, ansonsten nie um einen Ratschlag verlegen, ist auf der Suche nach dem richtigen Leben leider auch keine große Hilfe: „Ich weiß noch, wie es ist, in deinem Alter zu sein – natürlich hatte ich da schon vier Kinder unter acht Jahren, aber das moderne Leben ist anders, du hast viel um die Ohren.“

So treibt Claire durch die Stadt, mal mit, mal gegen den Strom, und beobachtet, was andere Leute nicht sehen können – die arbeiten ja gerade. Am Ende wird auch sie sich der alles entscheidenden Frage stellen müssen: Wer will ich sein, wenn ich sein kann, wer ich will? (© Piper)

Von der Jobsuche zu den großen Fragen des Lebens

Claire hat ihren Job gekündigt, weil sie mit diesem nicht wirklich zufrieden war. Ihre selbst gewählte Auszeit will sie nutzen, um herauszufinden, was sie wirklich tun will, was ihr Spaß macht und was sie erfüllt. Zu Beginn ist sie auch wirklich noch auf der Suche nach einem Job und schreibt Bewerbungen. Das rückt allerdings schnell in den Hintergrund. Zu der Frage nach der richtigen Berufswahl gesellen sich nämlich bald weitere große Fragen des Lebens.

Doch statt sich wirklich mit der Jobsuche zu beschäftigen oder sich diesen wirklich wichtigen Fragen zu stellen, verbringt Claire ihre Zeit ziemlich plan- und sinnlos. Sie beschäftigt sich mit den unterschiedlichsten Dingen und macht sich über alles unglaublich viele Gedanken. Damit steht sie sich oft selbst im Weg und sieht Konflikte und Probleme, wo gar keine sind. Sie zerdenkt jede Situation, traut sich nichts zu und fühlt sich nutzlos, was umso schlimmer wird, je länger sie arbeitslos ist.

Die Protagonistin erzählt das alles aus ihrer Perspektive und in einem tagebuchartigen Stil. Die Kapitel sind kurz – manchmal ist es nur ein Satz, höchstens sind es ein paar wenige Seiten. Dementsprechend springt Claire von einem Thema zum nächsten. Episodenhaft erzählt sie, was ihr passiert, worüber sie nachdenkt und worüber sie mit den Menschen in ihrem Umfeld redet.

Seltsam finde ich allerdings, dass Claires Freund dabei ziemlich blass und charakterlos bleibt, obwohl die Geschichte aus Claires Perspektive erzählt wird. Warum die beiden zusammen sind, blieb mir bis zum Schluss ein Rätsel.

„Ich versuche nur, zu verstehen, was du den ganzen Tag machst.“ Luke reibt sich mit dem Finger das eine Auge, und ich sehe, dass er sich wirklich Mühe gibt. Auf dem Tisch liegen ein Scheck, den ich ihm versprochen hatte einzulösen, und ein Paket für seine Schwester, das ich versprochen hatte abzuschicken. „Ich weiß, es klingt komisch“, sage ich, „aber je mehr Zeit man hat, desto weniger Zeit hat man. Jeder Moment wird so kostbar.“ (Abwesenheitsnotiz, S. 64)

 

Viele Fragen, keine Antworten

Es geht schließlich nicht nur um die Arbeit beziehungsweise Jobsuche, sondern auch um Beziehungen, ums Heiraten und ums Kinder kriegen. Und immer die Frage: Was will ich? Wie soll das eigene Leben aussehen? Mit all diesen Themen sehen sich bestimmt viele Menschen mit Ende Zwanzig konfrontiert, so dass Abwesenheitsnotiz hier viel Identifikationspotenzial bietet. Die Themen werden jedoch nicht tiefgründig behandelt oder in den Gesprächen diskutiert, sondern oft nur oberflächlich gestreift.

Claire sieht sich mit vielen wichtigen Fragen konfrontiert, ist aber kaum in der Lage, sie zu beantworten und Entscheidungen zu treffen. Als Leser*in will man wissen, was sie letztendlich tut und wie sie sich entscheidet, doch das Ende ist offen. Die Geschichte endet sehr abrupt und man bleibt ähnlich ratlos zurück wie Claire. Einerseits finde ich dieses Ende passend, andererseits ist es aber auch ein wenig unbefriedigend.

Unbefriedigend ist es, da sich die Geschichte einfach unfertig anfühlt. Passend ist allerdings die Tatsache, dass Claire keine Antworten auf die wichtigen Fragen vorgegeben bekommt und man als Leser*in eben auch keine erhält.

„Du bist genauso“, sage ich. „Schlechtes Wetter, düsteres Wetter. Man hat uns konditioniert, so zu denken. Wenn man uns beigebracht hätte, Regen und Kälte zu mögen, wären wir eine viel glücklichere Nation.“ „Stell dir mal vor, du würdest all die Zeit und Energie in einen richtigen Job stecken“, sagt Andrea. „Im Ernst, bei dir ist Nichtstun … reine Verschwendung.“(Abwesenheitsnotiz, S. 88)

 

Abwesenheitsnotiz

Mir fällt es schwer, den Roman von Lisa Owens angemessen zu bewerten. Einiges hat mir gut gefallen, anderes nicht. Hin und wieder versinkt Claire in Selbstmitleid und tut Dinge, über die ich nur den Kopf schütteln konnte. Andere Male konnte ich ihre Situation sehr gut verstehen und ihre Handlungen und Gedanken nachvollziehen. Das Buch spricht viele Themen an, mit denen man sich in den Zwanzigern konfrontiert sieht und bietet somit viel Identifikationspotenzial. Der Stil ist locker und humorvoll, so dass Abwesenheitsnotiz eine unterhaltsame und kurzweilige Lektüre ist.

 

Weitere Rezensionen

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Abwesenheitsnotiz / Not WorkingTitel: Abwesenheitsnotiz/Not Working

Autorin: Lisa Owens
Verlag: Piper
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Gegenwartsliteratur

Seiten: 288
Format: Taschenbuch
Übersetzung: Brigitte Jakobeit, Karen Witthuhn
Originaltitel: Not Working

 

2 Comments

  1. Hallo liebe Anka, eine sehr interessante Rezension. Ich werde mir das Buch auf jeden Fall noch genauer ansehen, dein Fazit hat neugierig gemacht.
    Übrigens hast du einen wundervollen Blog <3 Ich bin dir direkt gefolgt.
    Hab einen tollen Wochenstart.
    <3

    • Anka

      Hi Elizzy,
      dankeschön, das freut mich und macht den Tag gerade ein bisschen besser <3
      Ich wünsche dir auch noch eine tolle Woche. :)
      Liebe Grüße
      Anka