Der Name Sophie Passmann ist mir zuerst auf Twitter begegnet. Dort habe ich dann auch mitbekommen, dass sie ein Buch über Alte weiße Männer schreibt. Passmann ist Feministin und daher war ich neugierig auf dieses Buch, das feministisch sein soll, sich aber eigentlich nur mit Männern beschäftigt. Wie diese Kombination funktioniert, verrate ich euch hier.

Inhalt

Sophie Passmann ist Feministin und so gar nicht einverstanden mit der Plattitüde, der alte weiße Mann sei an allem schuld. Sie will wissen, was hinter diesem Klischeebild steckt und fragt nach: Ab wann ist man ein alter weißer Mann? Und kann man vielleicht verhindern, einer zu werden?
Sophie Passmann gehört zu einer neuen Generation junger Feministinnen; das sind Frauen, die stolz, laut und selbstbestimmt sind. Sie wollen Vorstandschefinnen werden oder Hausfrauen, Kinder kriegen oder Karriere machen oder beides. Und sie haben ein Feindbild, den alten weißen Mann. Dabei wurde nie genau geklärt, was der alte weiße Mann genau ist. Eines ist klar: Er hat Macht und er will diese Macht auf keinen Fall verlieren. Doch Sophie Passmann will Gewissheit statt billiger Punch-lines, deswegen trifft sie mächtige Männer, um mit ihnen darüber zu sprechen: »Sind Sie ein alter weißer Mann und wenn ja – warum?« Die Texte, die daraus entstanden sind, gehören zu den klügsten und gleichzeitig lustigsten, die man hierzulande finden kann.
(© Kiepenheuer & Witsch)

Ein ungewöhnliches Konzept

Ich habe mittlerweile schon einige Bücher zum Thema Feminismus gelesen. Keines davon hat ein Mann geschrieben und in den wenigsten wird über Männer geschrieben. Das hat einen einfachen Grund: Männer haben im Allgemeinen die größeren Plattformen, sind überall sichtbar, dürfen überall mitreden und entscheiden und benötigen den Feminismus weniger (wirklich nur „weniger“ und nicht „gar nicht“, denn profitieren können sie ebenfalls) als Frauen. Dementsprechend ist es nur logisch und sinnvoll, dass Frauen bei diesem Thema stärker zu Wort kommen.

Wenn nun eine Feministin ein Buch schreibt, in dem sie offensichtlich nur Männer zu Wort kommen lassen will, ist das zunächst auf jeden Fall ungewöhnlich und wurde daher auch mit großer Skepsis betrachtet. Ob dieses Konzept funktioniert und vielleicht sogar den feministischen Diskurs bereichern kann, habe ich mich ebenfalls gefragt und es beim Lesen schließlich herausgefunden.

Männer, die über Feminismus reden

Die insgesamt 16 Gespräche, die Passmann mit Männern führte, zeigen eine ganze Bandbreite von Einstellungen und Meinungen zum Thema Feminismus. Einige Gesprächspartner sprechen sich mal mehr, mal weniger explizit gegen Feminismus aus, andere versuchen eine eher neutrale Position einzunehmen und ein paar finden, dass Feminismus eine gute und wichtige Sache ist. Diese Sammlung von unterschiedlichen Ansichten ist zunächst einfach mal interessant zu lesen.

Dabei sind die einzelnen Gespräche nicht als Interviews zu lesen, sondern Passmann baut lediglich Zitate ihrer Gesprächspartner in ihre Nacherzählungen der Treffen ein. Sie beschreibt mit wem sie sich wo trifft, schildert die örtlichen Gegebenheiten und schafft eine Atmosphäre für das Gespräch. So wird auch direkt deutlich, mit wem sie gute Gespräche führt und wessen Einstellung nicht zu ihrer eigenen passt. Die Kapitel lassen sich schnell und leicht lesen und sind teilweise auch sehr unterhaltsam – vorausgesetzt man mag den Humor der Autorin.

Zu viel Schlichtung, zu wenig Konfrontation

Ein großer Vorteil gegenüber einem wörtlich wiedergegebenen Gespräch ist die Tatsache, dass Passmann die Aussagen ihrer Gesprächspartner einordnen und Dinge erklären kann. Außerdem entkräftet sie haltlose Argumente und stellt Behauptungen richtig, die in den Gesprächen geäußert werden. Dies ist für die Leser*innen auf jeden Fall ein Mehrwert.

Allerdings entsteht so der Eindruck, dass sie die Argumente ihres Gegenübers nur schriftlich für ihre Leser*innen auseinander nimmt, statt auch den Gesprächspartner direkt mit Richtigstellungen oder Gegenargumenten zu konfrontieren. Möglicherweise ist dieser Eindruck falsch, doch so wirkte es durch Passmanns Nacherzählung der Gespräche auf mich. In dieser Hinsicht wären wörtlich wiedergegebene Gespräche aufschlussreicher gewesen.

Insgesamt hätte Passmann für meinen Geschmack ihre Positionen gegenüber ihren Gesprächspartnern stärker vertreten können. Die meisten Gespräche verlaufen sehr harmonisch und ich hätte mir ein bisschen mehr Konfrontation gewünscht – besonders eben bei den Männern, die wirklich haltlose Argumente vorbringen oder den Kern der Sache nicht verstehen (wollen). So kann sie auch keinen der Männer, die eher gegen Feminismus sind, von ihren Positionen überzeugen oder sie zumindest zum Nachdenken und Auseinandersetzen mit dem Thema anregen.

Der Mehrwert

Am interessantesten sind die Gespräche, die Passmann mit Feministen führt. Diese Kapitel hatten für mich den größten Mehrwert. In diesen Gesprächen werden nämlich nicht nur die altbekannten Fragen und Argumente wiedergekäut, sondern es wird konstruktiv über Feminismus diskutiert. So geht es etwa auch um die Frage, wie Männer Feministen sein können bzw. was es für Männer bedeutet Feminist zu sein. Dies war für mich ein neuer Ansatz, mit dem ich mich bisher noch nicht beschäftigt habe.

Insgesamt ist das Alte weiße Männer für Männer, die sich noch nicht so richtig mit Feminismus auseinandergesetzt haben, kein schlechter Einstieg. Es werden viele grundlegende Punkte angesprochen und besonders die privilegierte Position von Männern wird in einigen Gesprächen deutlich gemacht und kann zu Erkenntnissen führen. Für die meisten Frauen dürfte es nicht allzu viel Neues bieten und Männer, die sich schon mit Feminismus beschäftigt haben, werden das meiste auch schon kennen.

Was negativ auffiel

Die Autorin selbst ist privilegiert, was man im Buch deutlich merkt. Die Themen, die zur Sprache kommen, richten sich nicht an alle, sondern ebenfalls an eher privilegierte Frauen. Passmanns Feminismus – oder zumindest das, was in Alte weiße Männer thematisiert wird – ist nicht inklusiv.

Eine Sache, die mich ziemlich genervt hat, sind die vielen lobenden Worte gegenüber den Gesprächspartnern. Passmann lobt die Männer teilweise über die Maßen, was unnötig und mit der Zeit eben auch nervig ist.

Alte weiße Männer

Alte weiße Männer von Sophie Passmann ist unterhaltsam, bietet aber wenig Mehrwert. Am ehesten ist es für Männer geeignet, die sich noch nicht mit Feminismus beschäftigt haben. Für diese Zielgruppe bietet es einen guten Zugang zum Thema. Ansonsten werden sich wohl eher weiße, privilegierte Frauen von den Inhalten angesprochen fühlen.

Mich persönlich hat das Buch ganz nett unterhalten. Den ein oder anderen Punkte konnte ich für mich mitnehmen, aber großartige Erkenntnisse gab es für mich nicht. Für meinen Geschmack hätte es gerne auch etwas bissiger sein dürfen. Da es aber im Untertitel „Ein Schlichtungsversuch“ heißt, ist der eher versöhnliche Ton des Buchs durchaus verständlich. Insgesamt ist Alte weiße Männer ein Buch, das man gut lesen kann, aber nicht unbedingt lesen muss, wenn man sich mit Feminismus beschäftigen möchte.

Sophie Passmann_Alte weiße MännerTitel: Alte weiße Männer – ein Schlichtungsversuch

Autorin: Sophie Passmann
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Sachbuch, Feministische Literatur

Seiten: 288
Format: Broschur