Bei den meisten Büchern, die ich lese, kann ich sehr gut einschätzen, was mich erwartet. Normalerweise habe ich vor dem Lesen nämlich schon einige Meinungen zum Buch gehört und kann mir dadurch ziemlich sicher sein, dass mir das Buch auch gefallen wird. Bei Töchter von Lucy Fricke war das ausnahmsweise anders: Ich kannte keine Meinungen zum Buch und fand lediglich Cover und Klappentext so ansprechend, dass ich es spontan gekauft und gelesen habe. Ob das eine gute Entscheidung war, verrate ich euch jetzt.
Inhalt
Die Freundinnen Martha und Betty aus Berlin brechen auf zu einer Reise in die Schweiz. Sie haben einen todkranken Vater auf der Rückbank, der sterben möchte. Doch das Leben endet noch nicht. Denn manchmal muss man einfach durchbrettern. Auch wenn einem das Unglück von hinten auf die Stoßstange rückt. Bis nach Griechenland, immer tiefer hinein in die Abgründe der eigenen Geschichte. (© Rowohlt)
Roadtrip mal anders
Einen Roadtrip verbinde ich mit Aufbruch, mit der Suche nach etwas Neuem – möglicherweise einem neuen Anfang. Im Roman Töchter ist dies jedoch anders. Ziel des Roadtrips ist ein Ende, genauer gesagt das Ende von Marthas Vater. Dieser hat nämlich beschlossen selbstbestimmt zu sterben und so bringt er seine Tochter dazu, mit ihm in die Schweiz zu fahren, wo dies für ihn möglich ist. Martha ist zwar dagegen, fühlt sich aber doch verpflichtet, ihrem Vater diesen letzten Wunsch zu erfüllen. Zur seelischen Unterstützung nimmt sie ihre Freundin Betty mit.
Erzählt wird die Geschichte aus Bettys Perspektive. Betty hat, genau wie Martha, ein schwieriges Verhältnis zu ihren Eltern. Auf dem langen Weg, den sie vor sich haben, wird sie nun ebenfalls mit der Beziehung zu ihren Eltern und ihrer Vergangenheit konfrontiert. Die Freundinnen müssen sich – jede auf ihre Weise – mit der Familie, dem Leben und dem Sterben auseinandersetzen.
Der Schreibstil ist sehr direkt und schonungslos. Das macht die Erzählung zu einem intensiven und eindrücklichen Leseerlebnis. Betty erzählt humorvoll und mit viel Wortwitz, doch oft ist es eine Art Galgenhumor, denn die Melancholie zieht sich ebenfalls durch den gesamten Roman. Kluge und tiefsinnige Gedanken wechseln sich mit impulsivem, hin und wieder auch überdrehtem Verhalten ab. Das mag man übertrieben finden, doch für mich war es genau richtig dosiert.
Der Roman erzählt von Menschen mit Fehlern, die nicht perfekt sind und durchaus auch destruktives Verhalten an den Tag legen. Trotzdem versuchen sie, ihr Glück zu finden und das Leben so zu nehmen, wie es eben kommt. Mit den vielen humorvollen Szenen und absurden Wendungen lockert die Autorin die melancholische Grundstimmung immer wieder auf, so dass weder die Protagonistinnen noch die Leser*innen in Trübsal versinken.
Töchter
Töchter von Lucy Fricke ist ein lesenswerter Roman über das Leben, das Sterben, Familie, Freundschaft, Verlust und Hoffnung. Die Autorin hat mir mit diesem Buch ein intensives Leseerlebnis beschert. Der Stil hat mir gefallen und die Geschichte hat mich so in ihren Bann gezogen, dass ich das Buch fast am Stück durchgelesen habe. Töchter ist ein tiefsinniger und melancholischer, aber auch absurder und humorvoller Roadtrip, den ich empfehlen kann.
Titel: Töchter
Autorin: Lucy Fricke
Verlag: Rowohlt
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Belletristik, Gegenwartsliteratur
Seiten: 240 Seiten
Format: Taschenbuch
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