Chimamanda Ngozi Adichie – eine wichtige Stimme der nigerianischen Literatur

Im Juli habe ich euch nicht nur in einer Rezension den Roman Americanah von Chimamanda Ngozi Adichie vorgestellt und ans Herz gelegt, sondern in den Kurzrezensionen zum Thema Feminismus auch Dear Ijeawele. Mit diesen beiden Büchern habe ich nun sämtliche Werke der nigerianischen Autorin gelesen. Dass ich sie großartig finde, habe ich immer wieder erwähnt und deshalb möchte ich nun in Kurzform noch drei weitere Bücher von ihr vorstellen.

Blauer Hibiskus

Mit ihrem Debütroman in 2004 konnte Chimamanda Ngozi Adichie schon gleich einen großen Erfolg verbuchen. Der Roman wurde für den Orange Prize for Fiction und den Booker Prize nominiert und gewann schließlich den Commonwealth Writer’s Prize. Ähnlich erfolgreich ging es für die Autorin mit ihren folgenden Romanen weiter und das absolut berechtigt.

Die 15-jährige Kambili und ihr großer Bruder wachsen in einem streng religiösen Elternhaus auf. Der Vater sieht es als seine Pflicht an, Frau und Kinder bei Fehlverhalten zu bestrafen. So lernt Kambili schon früh, zu gehorchen und sich an die strengen Regeln ihres Vaters zu halten. Sie ist schüchtern, zurückhaltend und in sich gekehrt. Als sie schließlich eine Zeit lang bei ihrer Tante wohnt, lernt sie dort ein völlig anderes Familienleben kennen. Ihre Cousins und ihre Cousine genießen Freiheiten, die für Kambili alles andere als selbstverständlich sind.

Aus der Sicht von Kambili erfahren wir, wie die Familie langsam auseinander fällt. Der Schreibstil passt dabei wunderbar zur Protagonistin, die mit ruhiger Stimme die Ereignisse und ihre Beobachtungen schildert. Die Figuren sind vielschichtig und selbst Kambilis Vater wird nicht einseitig als schlechter Mensch dargestellt, denn Kambili liebt ihn trotz allem. Am sympathischsten ist jedoch Kambilis Tante, bei der das Mädchen sich ganz langsam zu öffnen beginnt. Die politischen Ereignisse sind zwar wichtig für die Geschichte, doch bleiben sie im Hintergrund und werden nicht ausführlich behandelt.

Schon mit ihrem ersten Roman zeigt Adichie ihr erzählerisches Talent. Die Geschichte der 15-jährigen Kambili und ihrer Familie ist eindringlich und authentisch, schön aber auch schmerzhaft.

Klappentext

Das Haus von Kambilis Familie liegt inmitten von Hibiskus, Tempelbäumen und hohen Mauern, die Welt dahinter ist das von politischen Unruhen geprägte Nigeria. Mit sanfter, eindringlicher Stimme erzählt die 15-jährige Kambili von dem Jahr, in dem ihr Land im Terror versank, ihre Familie auseinanderfiel und ihre Kindheit zu Ende ging. Der erste vielgelobte Roman Adichies, verzweifelt schön und ganz gegenwartsnah. (© S. Fischer Verlage)

Adichie_Blauer HibiskusTitel: Blauer Hibiskus

Autorin: Chimamanda Ngozi Adichie
Verlag: S. Fischer
Erscheinungsjahr: 2015
Genre: Roman, Belletristik

Seiten: 336
Format: Taschenbuch
Übersetzung: Judith Schwaab
Originaltitel: Purple Hibiscus

 

Die Hälfte der Sonne

Der erste Roman, den ich von Adichie gelesen habe, war Die Hälfte der Sonne. Insgesamt hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei afrikanische Literatur gelesen und war dementsprechend sehr gespannt darauf.

In dem Roman geht es um den Biafra-Krieg, den Bürgerkrieg in Nigeria in den sechziger Jahren. Die Erzählung beginnt ein paar Jahre vor dem Krieg und zeigt, wie es letztendlich zu diesem kommen konnte. Chimamanda Ngozi Adichie erzählt die Geschichte aus drei Perspektiven, die zusammen einen vielschichtigen Eindruck vom Nigeria der sechziger Jahre vermitteln. Während Olanna und ihr Freund Odenigbo die gebildete Igbo-Bevölkerung repräsentieren, steht Ugwu für die meist eher ungebildete ländliche Bevölkerung. Mit dem Engländer Richard kommt außerdem auch die Perspektive eines außenstehenden Europäers hinzu, der sich dem Land und seiner Bevölkerung jedoch sehr verbunden fühlt.

Es hat ein wenig gedauert, bis ich mit den drei Protagonisten warm geworden bin, doch nach und nach konnte ich mich besser in die Figuren hineindenken und ihre Perspektiven nachvollziehen. Die Hälfte der Sonne erzählt zwar aus den verschiedenen Blickwinkeln der Protagonisten jeweils von deren persönlichen Schicksalen, doch wird damit zugleich ein umfangreiches Bild der Gesellschaft Nigerias bzw. Biafras geschaffen. Das ist sowohl interessant als auch spannend zu lesen.

Der Roman behandelt ein Thema, das meiner Meinung nach viel präsenter sein sollte – nicht nur in der Literatur. Die Folgen der Kolonisation werden deutlich und sind letztendlich ja auch der Auslöser für die Abspaltung Biafras von Nigeria und den darauffolgenden Krieg. Chimamanda Ngozi Adichie zeigt mit diesem Werk, wie Nigeria auch heute noch unter den Folgen des Kolonialismus leidet. Die Lektüre ist nicht immer angenehm, doch sie regt zum Nachdenken an und ist absolut lesenswert.

Klappentext

Im Nigeria der Sechzigerjahre kommt der Dorfjunge Ugwu als Houseboy zu Odenigbo, einem linksintellektuellen Professor, bei dem er lesen und schreiben lernt. Als Odenigbos neue Liebe Olanna ihr privilegiertes Leben in Lagos verlässt, um mit ihm zu leben, wachsen die drei schnell zu einer kleinen Familie zusammen.

Richard, ein englischer Journalist, der in Nigeria Inspiration für sein erstes Buchprojekt sucht, verliebt sich in Olannas ungleiche Schwester Kainene, die die Geschäfte der reichen, aber auch korrupten Familie leitet. Sie alle durchleben ihre je eigenen Kämpfe und Erfolge, doch teilen gemeinsam die große Hoffnung auf ein unabhängiges Biafra, das 1967 im Osten Nigerias, wo die Mehrheit der Igbo-Bevölkerung lebt, ausgerufen wird.

Nur drei Jahre später versinkt das Land in einem blutigen Bürgerkrieg, der Olanna, Kainene und ihre Liebsten brutal aus ihren Leben reißt und alles Dagewesene ausradiert. (© S. Fischer)

Die Hälfte der Sonne_Chimamanda Ngozi AdichieTitel: Die Hälfte der Sonne

Autorin: Chimamanda Ngozi Adichie
Verlag: S. Fischer
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Roman, Belletristik

Seiten: 640
Format: Taschenbuch
Übersetzung: Judith Schwaab
Originaltitel: Half of a Yellow Sun

 

Heimsuchungen

Diese Kurzgeschichten-Sammlung habe ich innerhalb weniger Tage verschlungen. Die Geschichten sind so unterschiedlich und doch beschäftigen sie sich mit ähnlichen Fragen. Was heißt es, zwischen zwei Kulturen zu leben? Was macht das mit den Menschen und wie fühlen sie sich? Wie funktionieren Beziehungen, die über große Distanzen geführt werden und solche, in denen mit kulturellen Unterschieden umgegangen werden muss?

In zwölf kurzen Geschichten erzählt Adichie, wie das Leben in Nigeria sich von dem in Nordamerika unterscheidet. Dabei werden verschiedene Probleme deutlich, die durch kulturelle Unterschiede entstehen. Teilweise erinnern die Geschichten an Adichies Roman Americanah, in dem die Protagonistin zum Studieren in die USA geht und nach vielen Jahren schließlich zurück in ihr Heimatland Nigeria kommt.

Die Erzählungen sind sowohl schön als auch traurig und spiegeln die Lebensrealität in einer globalisierten Welt wider. Es sind kurze, aber intensive Einblicke in das Leben verschiedener Menschen, die Chimamanda Ngozi Adichie meiner Einschätzung nach absolut authentisch darstellt.

Klappentext

Nigeria – Nordamerika: Zwei Welten, getrennt durch eine scheinbar unüberwindbare Kluft. Die nigerianische Heimat schwebt zwischen Tradition und Moderne, wird bedroht von Gewalt und Korruption. In Amerika hingegen hält das Leben nicht, was es verspricht.

An den Rändern beider Kulturen werden die prekären Bande zwischen Kindern und Eltern, die verborgenen Vibrationen zwischen Männern und Frauen aufgespürt: Die Liebe wird in der Distanz auf die Probe gestellt und das Sich-Wiederfinden ist schwieriger als erwartet. In der Familie schleichen sich Spannungen ein, wenn der Strudel des Lebens ihre Mitglieder mitreißt. 

Diese sinnlichen und gleichsam klaren Einblicke in die Wirren des nigerianischen, in erster Linie aber des menschlichen Lebens überhaupt, machen diese Geschichten nicht nur zu Erzählungen einer außergewöhnlichen jungen afrikanischen Stimme, sondern zu ganz großer Literatur. (© S. Fischer Verlage)

Adichie_HeimsuchungenTitel: Heimsuchungen

Autorin: Chimamanda Ngozi Adichie
Verlag: S. Fischer
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Kurzgeschichten, Belletristik

Seiten: 304
Format: Taschenbuch
Übersetzung: Reinhild Böhnke
Originaltitel: The Thing Around Your Neck

 

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