Wer meinen Blog liest, ist der Autorin Chimamanda Ngozi Adichie bestimmt schon einmal begegnet. Seit ich vor über einem Jahr das erste Buch von ihr gelesen habe, gehört sie zu meinen Lieblingsautorinnen. In kürzester Zeit habe ich mir sämtliche Werke von ihr gekauft und gelesen – bis auf Americanah.
Obwohl ich zu diesem Roman viele positive Meinungen gelesen habe, hat mich der Klappentext zunächst vom Lesen abgehalten. Genauer gesagt, war es allein der erste Satz der Inhaltsangabe, der nämlich eine Liebesgeschichte als Hauptthema erahnen lässt. Darauf hatte ich einfach keine Lust und so lag es eine Weile ungelesen im Regal. Nun habe ich es gelesen und festgestellt: Ich habe dem Buch unrecht getan.
Inhalt
„Chimamanda Adichie erzählt von der Liebe zwischen Ifemelu und Obinze, die im Nigeria der neunziger Jahre ihren Lauf nimmt. Dann trennen sich ihre Wege: Die selbstbewusste Ifemelu studiert in Princeton, Obinze strandet als illegaler Einwanderer in London. Nach Jahren stehen sie plötzlich vor einer Entscheidung, die ihr Leben auf den Kopf stellt. Adichie gelingt ein eindringlicher, moderner und hochpolitischer Roman über Identität und Rassismus in unserer globale Welt.“ (© S. Fischer)
Wie zuvor schon angedeutet, ist die Liebesgeschichte zwischen Ifemelu und Obinze keineswegs das Hauptthema. Sie dient eher als Rahmen für den gesamten Roman, in dem es um so viel mehr geht.
Die Geschichte wird nicht vollständig chronologisch erzählt, sondern startet mitten im Leben von Ifemelu. Sie hat viele Jahre in den USA gelebt und plant nun, wieder zurück in ihr Heimatland Nigeria zu gehen. Als Vorbereitung dafür geht sie in einen afrikanischen Friseursalon, um sich Zöpfe flechten zu lassen. Hier wird auch schon direkt deutlich, mit welchen Themen sich die Autorin in diesem Roman beschäftigt: Rassismus in Amerika sowie die Unterschiede zwischen Afroamerikanern und nichtamerikanischen Schwarzen.
All das wird schon zu Beginn in einigen interessanten Szenen angedeutet. Der alltägliche Friseurbesuch wird so zu einer Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und der eigenen Identität.
Schwarzsein in Amerika
Nach diesem unmittelbaren Einstieg in die Geschichte erfahren wir nach und nach, wie Ifemelu in Nigeria aufgewachsen und schließlich mithilfe eines Stipendiums nach Amerika gekommen ist. Für Ifemelu und sämtliche ihrer Mitschüler*innen gibt es nämlich nur ein Ziel: Nigeria verlassen. Im Ausland zu leben und zu arbeiten ist der Traum vieler junger Nigerianer*innen. Dies gilt auch für Obinze, Ifemelus Freund. Und so schmieden die beiden Pläne für ihre gemeinsame Zukunft in den USA. Dass Obinze kein Visum erhält und Ifemelu nicht nach Amerika folgen kann, ist für die Beziehung zunächst noch kein Problem.
Wie sich Ifemelu nur langsam an ihr neues Leben in den USA gewöhnt und wie sie die vielen Unterschiede zu ihrem Heimatland wahrnimmt, beschreibt Adichie sehr authentisch. Die Autorin ist selbst in Nigeria aufgewachsen und zum Studieren in die USA gegangen und so schildert sie Ifemelus Erlebnisse eindrücklich. Abgesehen von ihren Problemen bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, wird Ifemelu auch mit Rassismus konfrontiert. In Nigeria war das Schwarzsein kein Thema, in Amerika dagegen wird es zu einem wichtigen Bestandteil der Identität.
So beginnt Ifemelu schließlich auch einen Blog zu schreiben. Ihre Blogartikel, die sich den unterschiedlichsten Themen in Bezug auf Rassismus und Schwarzsein in Amerika widmen, stehen oft am Ende der Kapitel. Sie ergänzen die Handlung und weisen auf Probleme und Missstände hin. Ifemelu erklärt dabei außerdem vieles, was für sie als nichtamerikanische Schwarze neu ist. Diese Blogartikel sind aufschlussreich und auch hilfreich, denn sie sensibilisieren die Leser*innen in Bezug auf Rassismus. Daher haben mir diese immer wieder eingeschobenen Blogbeiträge besonders gut gefallen.
„Americanah“
Wie zu Beginn des Romans schon erzählt wird, will Ifemelu nach vielen Jahren in den USA zurück nach Nigeria. In ihrem Heimatland angekommen, muss sie sich allerdings wieder ganz neu an das Leben dort gewöhnen. Sie ist nun eine „Americanah“, eine Rückkehrerin aus den USA. So betrachtet sie Nigeria nun ebenfalls mit anderen Augen und führt ihren Blog fort. Diese unterschiedlichen Blickwinkel sind interessant und wirken – wie zuvor erwähnt – aufgrund von Adichies eigenen Erfahrungen authentisch.
Zusätzlich zu Ifemelus Perspektive wird in einigen Kapiteln auch Obinzes Geschichte erzählt, wenn auch weniger ausführlich. Er schafft es nicht nach Amerika, kommt allerdings als illegaler Einwanderer nach England. Wie Ifemelu sieht auch er sich mit Rassismus konfrontiert, macht aber ganz andere Erfahrungen als Ifemelu in den USA. Obwohl ich seine Geschichte ebenfalls interessant fand, waren seine Kapitel insgesamt schwächer als Ifemelus. Da sie aber nur einen kleinen Teil des Romans ausmachen, ist das für mich kein wirklicher Kritikpunkt.
Fazit
Adichie hat mit Americanah einen realitätsnahen Roman geschaffen, der mich voll und ganz begeistert hat. Ifemelu ist eine interessante und manchmal auch ungemütliche Protagonistin, was mir sehr gefällt. Wenn auch die anderen Figuren neben ihr ein wenig blass bleiben, gewähren sie dennoch Einblicke in die unterschiedlichen Lebens- und Denkweisen, so dass ein vielschichtiges Bild der Gesellschaft entsteht. Die Sprache ist intensiv, aber unaufdringlich. So unterhält der Roman nicht nur ausgesprochen gut, sondern schafft auch Bewusstsein für viele gesellschaftliche Missstände – allen voran Rassismus.
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