Auf den Debütroman Der Zopf von Laetitia Colombani habe ich mich sehr gefreut, denn schon allein der Klappentext klingt spannend und vielversprechend.

Klappentext

Drei Frauen, drei Leben, drei Kontinente – dieselbe Sehnsucht nach Freiheit

Die Lebenswege von Smita, Giulia und Sarah könnten unterschiedlicher nicht sein. In Indien setzt Smita alles daran, damit ihre Tochter lesen und schreiben lernt. In Sizilien entdeckt Giulia nach dem Unfall ihres Vaters, dass das Familienunternehmen, die letzte Perückenfabrik Palermos, ruiniert ist. Und in Montreal soll die erfolgreiche Anwältin Sarah Partnerin der Kanzlei werden, da erfährt sie von ihrer schweren Erkrankung. Ergreifend und kunstvoll flicht Laetitia Colombani aus den drei außergewöhnlichen Geschichten einen prachtvollen Zopf. (© S. Fischer)

 

Unterschiedliche Lebenswege, ähnliche Einstellungen

Wir begleiten drei Frauen auf drei verschiedenen Kontinenten, deren Leben kaum unterschiedlicher sein könnten. Doch alle drei sehen sich mit Problemen konfrontiert, die sie zu lösen versuchen. Smita, die als Dalit zur untersten Kaste in Indien gehört, wünscht sich für ihre kleine Tochter ein besseres Leben. So versucht sie ihr mit allen Mitteln, den Schulbesuch zu ermöglichen. Die junge Guilia will das sizilianische Familienunternehmen vor dem Ruin retten. Und Sarah muss sich in Montreal als Anwältin behaupten und gleichzeitig gegen eine schwere Krankheit kämpfen. Die Kapitel erzählen abwechselnd die drei voneinander unabhängigen Geschichten.

So unterschiedlich die Lebenswege der drei Frauen sind, so haben sie doch eines gemeinsam: Sie handeln selbstbestimmt und mutig und lassen sich nicht so leicht unterkriegen, auch wenn die patriarchale Gesellschaft es ihnen sehr schwer macht. Der Wille zur Veränderung wird deutlich und äußert sich jeweils auf individuelle Art und Weise. Im Verlauf der Handlung entwickeln sich die drei Frauen weiter und geben ihrem Leben eine neue Richtung.

Der Zopf - Laetitia Colombani

Gute Ansätze…

Die Idee des Buchs hat mir sehr gut gefallen. Es ist interessant zu sehen, wie unterschiedlich die Lebenswege der Frauen aussehen und wie sie sich doch auch in einigen Punkten ähneln. Dass sich die drei Geschichten symbolisch durch die Haare verbinden hat mir ebenfalls gefallen, auch wenn dadurch das Ende und auch der grobe Verlauf der Geschichten vorhersehbar waren. Dadurch fehlt allerdings jegliche Spannung, woran auch die Cliffhanger am Ende einiger Kapitel nichts geändert haben. Diese wirkten daher eher gewollt und waren meiner Meinung nach unnötig.

Während mir die Kapitel von Smita und Sarah ziemlich gut gefallen haben, hatte ich mit Guilias Geschichte ein kleines Problem – nämlich ihre Beziehung zu einem Mann. An sich hätte mich diese Liebesgeschichte nicht gestört, da bei den anderen beiden Protagonistinnen die Männer kaum eine Rolle spielen und die Geschichten somit verschiedene Facetten des Lebens zeigen. Gestört hat mich allerdings die Darstellung der Beziehung bzw. die des Liebhabers. Dieser gehört nämlich der aus Indien stammenden Sikh-Religion an und wird fast ausschließlich auf sein Aussehen reduziert. Es scheint, als würde Guilia ihn überhaupt nicht kennenlernen, sondern werde lediglich von seiner dunklen Haut und den dunklen Haaren angezogen. Abgesehen davon, dass ich eine solche Reduzierung auf Äußerlichkeiten in einer Beziehung generell nicht gut finde, kommt hier der Aspekt der Exotisierung hinzu, der mir unangenehm aufgefallen ist.

…leider wenig Tiefe

Dadurch dass das Buch doch sehr kurz ist und sich die Seitenzahl auch noch auf drei Protagonistinnen verteilt, erhalten die Figuren wenig Tiefe. Sie bleiben alle drei relativ stereotyp und wirken nicht sehr nahbar. Gerne hätte die Geschichte länger sein dürfen, so dass mehr Raum für die Figuren bleibt und sie facettenreicher hätten dargestellt werden können. Das gleiche gilt für einige Aspekte im Buch, die nur oberflächlich angesprochen wurden – etwa Bildung, Karriere und die Bevormundung sowohl durch Familie als auch durch die Gesellschaft.

Der Schreibstil war interessant, aber nicht so wirklich mein Fall. Es gibt so gut wie keine wörtliche Rede und insgesamt ist der Stil sehr geradlinig und schnörkellos. Dadurch kamen die Emotionen nicht so gut zur Geltung, auch wenn die Geschichten an sich doch sehr emotional sind. Dieser Gegensatz wirkte auf mich ein wenig irritierend.

Der Zopf

Der Zopf von Laetitia Colombani erzählt die Geschichten von drei Frauen, die ihre Leben selbstbestimmt und mutig in die Hand nehmen. Symbolisch verbinden sich die Lebenswege der Frauen durch die Haare, was zwar eine schöne Idee ist, die Geschichten aber auch vorhersehbar werden lässt. Insgesamt hätten die Geschichten noch weiter ausgebaut werden können, damit die Protagonistinnen und die vielen angesprochenen Themen mehr Tiefe erhalten und nicht so oberflächlich bleiben. Trotzdem zeigt der Debütroman schöne und emotionale Momentaufnahmen aus den Leben der Frauen und ist daher trotz aller Kritikpunkte empfehlenswert.

Vielen Dank an Vorablesen und S. Fischer für das Rezensionsexemplar!

Titel: Der Zopf

Autorin: Laetitia Colombani
Verlag: S. Fischer
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Belletristik

Seiten: 288 Seiten
Format: Hardcover
Übersetzung: Claudia Marquardt
Originaltitel: La tresse